Interview mit Bernhard Stiedl
„Die Demokratie macht vor den Werkstoren nicht halt“

Der Metaller Bernhard Stiedl (51) ist zum neuen Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bayern gewählt worden. Im Interview spricht er über den Stellenwert des DGB, seine wichtigsten Themen und warum die Betriebsratswahlen so wichtig sind.

25. Februar 202225. 2. 2022


Bernhard, Du hast bei Deiner Wahl gesagt, Du willst den DGB Bayern als politische Stimme der Gewerkschaften stärken. Wie willst Du das machen?

Bernhard Stiedl: Ich werde die wichtige Rolle des DGB Bayern gegenüber der Politik stärker einfordern. Wir sind kein kleiner Verein, wir haben in Bayern fast 800.000 Mitglieder. Dafür steht uns ein gewisser Stellenwert zu.

Brauchen IG Metall-Mitglieder überhaupt den DGB als politische Stimme? Die IG Metall ist ja selbst auch auf politischer Ebene sehr aktiv.

Die DGB-Mitgliedsgewerkschaften sind sehr erfolgreich in der Betriebs- und Tarifpolitik, das ist ihr ureigenes Terrain. Ohne den DGB würden auch die Metaller*innen sehr schnell merken, was ihnen fehlt. Auf politischer Ebene sind die DGB-Mitgliedsgewerkschaften für ihre jeweils spezifischen eigenen Interessen unterwegs. Aber unsere großen gemeinsamen Forderungen müssen wir auch gemeinsam vertreten. Nur so sind wir stark genug, diese auch bei der Politik durchzusetzen.

„Wir wollen, dass die Vermögenden einen größeren Beitrag leisten.“

Was sind denn die großen verbindenden Themen, die für die Mitglieder aller DGB-Gewerkschaften wichtig sind?

Das sind vor allem die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Und dann natürlich die Veränderungen der Arbeitswelt durch Klimawandel und Digitalisierung. Dabei dürfen die Beschäftigten nicht unter die Räder kommen. Die Menschen brauchen weiterhin sichere Arbeitsplätze, ein gutes Einkommen und eine Zukunft.

Was willst Du jetzt sofort anpacken?

Das große Mega-Thema sind die Pandemie und die negativen Auswirkungen auf die Beschäftigten. Das müssen wir bewältigen. Die Gewerkschaften haben da schon viel erreicht, etwa die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes und die Verlängerung der Kurzarbeit. Jetzt wird es darum gehen, wer die Kosten der Pandemie und der Krise trägt. Das dürfen nicht die Beschäftigten sein. Der Berliner Koalitionsvertrag gibt da leider keine guten Antworten. Wir wollen, dass die Vermögenden einen größeren Beitrag leisten. Zum Beispiel durch die Einführung einer Vermögenssteuer und die Reform der Erbschaftssteuer.

Der Bayerischen Staatsregierung wird immer eine große Nähe zu den Arbeitgeberverbänden nachgesagt. Wie willst Du gegenüber der Staatsregierung auftreten?

Das empfinde ich auch so. Die Staatsregierung agiert immer sehr nah an den Forderungen der Arbeitgeberverbände. Wir werden bei der Staatsregierung vorstellig werden und müssen als DGB auch lauter werden mit unseren Forderungen. Wir werden diese auch mit Aktionen und Aktivitäten stärker in die Öffentlichkeit tragen. Da war der DGB in der Vergangenheit vielleicht zu zurückhaltend.

„Wir müssen als DGB lauter werden mit unseren Forderungen.“

Gab es schon einen ersten Kontakt zu Ministerpräsident Söder?

Er hat mich zu meiner Wahl beglückwünscht und auch ein Gespräch angeboten. Das werde ich natürlich wahrnehmen und ihm unsere Positionen direkt deutlich darlegen.

Welche konkreten Forderungen hast Du schon jetzt an die Staatsregierung?

Es gibt zwei Kernforderungen des DGB, bei denen sich die Staatsregierung schon seit Jahren nicht bewegt. Erstens das Tariftreue- und Vergabegesetz: Bei öffentlichen Aufträgen sollen nur Firmen zum Zuge kommen, die einen Tarifvertrag mit einer DGB-Gewerkschaft haben. Es kann nicht sein, dass mit Steuergeldern Firmen bezahlt werden, die Lohndumping betreiben. Zweitens fordern wir ein Weiterbildungsgesetz – nur Bayern hat noch keines. Für den Wandel durch die Digitalisierung ist es extrem wichtig, dass auch die bayerischen Beschäftigten bessere Möglichkeiten bekommen, sich zu qualifizieren.

Bernhard Stiedl in Ingolstadt bei Audi beim Fairwandel-Aktionstag im Oktober 2021.

Nah an den Beschäftigten: Bernhard Stiedl beim Fairwandel-Aktionstag im Oktober 2021 in Ingolstadt.

Bald sind Betriebsratswahlen? Warum sind diese Wahlen für Beschäftigte so wichtig?

Die Demokratie macht vor den Werkstoren nicht halt. Die längste Zeit des Tages verbringen die Menschen im Betrieb, aber ohne Betriebsrat haben sie dort nichts mitzureden – über die Gestaltung der Arbeitszeit, über die Arbeits-bedingungen, über den Arbeits- und Gesundheitsschutz. Es liegt im Interesse jedes Beschäftigten, dass darüber nicht allein der Arbeitgeber entscheidet. Wer mitreden will, braucht einen Betriebsrat. Deshalb sind die Betriebsratswahlen so wichtig.

Du bist gelernter Feinmechaniker, kannst also filigran und präzise handwerken. Kannst Du auch mit der Faust auf den Tisch hauen?

Wer mich schon mal auf Kundgebungen erlebt hat weiß, dass ich auch zuspitzen kann. Das wird man auch in Zukunft merken. Gleichzeitig bin ich natürlich auch kompromissfähig. Jeder Gewerkschafter weiß, dass man das braucht, um gute Lösungen zu finden. Jetzt geht es aber erstmal darum, unsere Forderungen deutlich in die Öffentlichkeit zu tragen.