Es ist dampfig und drückend. Aber nicht nur die Luft ist geladen. Die gut 250 Beschäftigten von Dionex Softron, Teil der Thermo Fisher Scientific Gruppe, die an diesem Sommertag vor dem Werk in Germering stehen, sind es auch. Sie sind wütend darüber, dass ihr Arbeitgeber Aufforderungen zu Verhandlungen über einen Tarifvertrag ignoriert. Und sie sind kampfbereit – das machen sie bei diesem zweiten Warnstreik für einen Tarifvertrag deutlich.
Kampfbereit ist auch Tanja Becke. Die promovierte Biophysikerin, die als Engineering Change- und Projektmanagerin arbeitet, ist seit März 2024 Leiterin des zwölfköpfigen IG Metall-Vertrauenskörpers (VK) bei Dionex Softron. Und als solche hat die 36-Jährige gerade jede Menge zu tun. Der Kampf um einen Tarifvertrag ist arbeitsintensiv und anstrengend.
Es ist Aufgabe des Vertrauenskörpers, Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu gewinnen, zu kommunizieren, zu informieren und zu Arbeitskampfmaßnahmen zu mobilisieren. Und das alles in der Freizeit. Vertrauensleute arbeiten ehrenamtlich zum Wohle ihrer Kolleginnen und Kollegen. „Gewerkschaftstätigkeit ist Privatvergnügen“, sagt Tanja Becke.
Sie ist nur eine von mehr als 10000 Vertrauensleuten, die heuer in Bayern neu oder wiedergewählt wurden. Sie ist eine von mehr als 10000 Vertrauensleuten, die in ihren Betrieben die IG Metall repräsentieren, dort für Beteiligung, Demokratie und Gerechtigkeit kämpfen. Sie gestalten gemeinsam in der IG Metall die Zukunft der Arbeit.
Ohne engagierte Vertrauensleute funktioniert kein Kampf um einen Tarifvertrag. Vertrauensleute gestalten auch die Forderungen in den Tarifrunden aktiv mit. „Nicht nur, aber gerade vor Tarifbewegungen wie jetzt in der Metall- und Elektroindustrie ist der Informationsbedarf unserer Kolleginnen und Kollegen groß“, sagt Johannes Werner. „Da gilt es aktiv mit ihnen in die Diskussion zu gehen und sie für Aktionen zu mobilisieren.“ Werner gehört bereits seit 2012 dem Vertrauenskörper bei Bosch Rexroth in Lohr an, gerade erst wurde der 37-Jährige in das 87-köpfige Gremium wiedergewählt.
Werner ist seit 2002 in der IG Metall aktiv. Gleich nach Beginn seiner Ausbildung zum Mechatroniker begann er, sich in der Jugend- und Auszubildendenvertretung und im Ortsjugendausschuss zu engagieren. „Ich habe gesehen, was man als Gewerkschafter alles machen und bewegen kann“, sagt er. Vor allem auf betrieblicher Ebene. „Vertrauensleute sind nah dran am Geschehen im Betrieb“, erklärt Werner. Sie kennen die konkreten Anliegen und Probleme der Kolleginnen und Kollegen, die sie beraten.
Immer ein offenes Ohr hat auch Tanja Becke. „Wir sind auch ein bisschen Seelsorger“, sagt sie. Und sie ist es gern. Eingetreten in die IG Metall ist Becke 2023. „Eigentlich aus rein persönlichem Interesse“, erzählt sie. Doch als sie merkte, dass es Kolleginnen und Kollegen gab, die schlechter dran waren als sie, wurde aus dem Engagement für sich selbst schnell eines für andere.
Und doch: Sie bekommt auch viel zurück. „Wie viele mit vollem Einsatz dabei sind, hat mich überrascht“, sagt sie. „Zum ersten Warnstreik kamen viel mehr als erwartet.“ Ganz persönlich profitiert Becke von ihrem Engagement auch, wenn auch anders als ursprünglich gedacht. „Ich habe mit der IG Metall eine solche Persönlichkeitsentwicklung durchgemacht“, schwärmt sie. Auf den Mund gefallen sei sie zwar nie gewesen, aber sich gegen Ungerechtigkeiten im Betrieb aufzulehnen, habe sie noch mutiger werden lassen. Sie sagt: „Man merkt, was man aushalten kann.“