Erzwingungsstreik bei Schabmüller in Berching
Mit viel angestautem Frust - und jeder Menge Herzblut

Ihre Löhne liegen 22 Prozent unter dem Metall-Tarif. Seit Dienstagmorgen streiken die rund 500 Beschäftigten des Elektromotorbauers Schabmüller in Berching für einen Tarifvertrag. Nach vier Verhandlungen und Warnstreiks hatten 97,62 Prozent für Streik gestimmt.

24. April 202424. 4. 2024


Seit 5 Uhr morgens geht nichts mehr beim Elektromotorbauer Schabmüller in Berching. Die Bänder stehen komplett still. Die rund 500 Beschäftigten streiken. Unbefristet! 97,62 Prozent der IG Metall-Mitglieder im Betrieb haben in der Urabstimmung letzte Woche für Streik gestimmt, nachdem vier Verhandlungen und Warnstreiks  – zuletzt sogar ein ganztägiger Warnstreik – zu keinem Ergebnis geführt hatten.

„So überwältigend die Zustimmung zum Streik ausgefallen ist, so machtvoll hat der Streik begonnen“, fasst Olga Redda, 2. Bevollmächtigte der IG Metall Regensburg und Verhandlungsführerin den Auftakt zusammen. Um 14 Uhr versammelten sich schließlich 450 Kolleginnen und Kollegen zu einer Kundgebung vorm Werkstor, um gemeinsam deutlich zu machen, wofür sie streiken. „Die Stimmung ist kämpferisch, die Beschäftigten stehen felsenfest hinter ihrer Forderung und sind wild entschlossen, sie um jeden Preis durchzusetzen“ schildert Rico Irmischer, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Regensburg die Atmosphäre auf der Kundgebung. „20 Jahre lang verweigert der Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden jetzt einen Tarifvertrag. Damit ist jetzt Schluss. Die Beschäftigten erkämpfen sich jetzt ihren Tarifvertrag, ihr gutes Recht für ihre gute Arbeit“. Der Bezirksleiter der IG Metall Bayern, Horst Ott, sagte auf der Kundgebung zu den Streikenden: „Wir wollen nicht streiken, aber wir haben auch keine Lust zu betteln. Die gesamte IG Metall steht hinter Euch“.

Ein Streik, von den Arbeitgebern aufgezwungen

Im kompletten Tagesverlauf blieben die Streikposten besetzt, Streikbrecher waren nicht zu sehen. Bis auf die Geschäftsleitung und einige mit der IG Metall vereinbarte Notdienst-Leistende sind keine Mitarbeiter:innen in den Betrieb gegangen. Anfahrende LKWs wurden nicht be- oder entladen, sondern mussten unverrichteter Dinge weiterfahren. „Hier hat sich in den letzten Jahren viel Frust aufgestaut“, ordnet Christine Billmann, stellvertretende VK-Leiterin von Schabmüller die starke Beteiligung ein. „Die Beschäftigten halten seit jeher zusammen wie eine Familie. Jeder steht für den anderen ein, man investiert viel Herzblut. Doch gerade in den letzten Jahren, als die Differenz zum Flächentarifvertrag immer größer wurde, ist diese Stimmung im Betrieb immer öfter gekippt. Die Menschen hier wollen endlich einen Tarifvertrag, endlich gerechte Bedingungen – und endlich wieder als Familie zusammenstehen.“

Mit dem unbefristeten Erzwingungsstreik nutzt die IG Metall das schärfste Mittel des Streikrechts, nur selten greift sie darauf zurück. Er ist die letzte Eskalationsstufe in einer Reihe von Maßnahmen, die den festgefahrenen Tarifkonflikt lösen sollten. Wie lange der Streik andauern wird ist unklar, die IG Metall verweist wiederholt auf ihre Verhandlungsbereitschaft. „Wir wollen diesen Streik nicht, er wird uns vom Arbeitgeber aufgezwungen. Denn die Verzögerungs- und Hinhaltetaktik der Geschäftsleitung verhindert leider eine schnelle Lösung am Verhandlungstisch. Wir fordern die Arbeitgeberseite erneut auf, uns Termine noch im April zu nennen“, sagt Irmischer.

Hintergrund: Die Schabmüller GmbH, Teil der italienischen ZAPI-Group mit Sitz in der Nähe von Bologna, bietet ein komplettes Spektrum an elektrischen Antriebslösungen für verschiedene Anwendungsgebiete wie Elektromotoren oder Generatoren. In Berching sind rund 500 Kolleg*innen beschäftigt, viele mit langen Betriebszugehörigkeiten. Schabmüller unterliegt keiner Tarifbindung, seit sie vor ca. 20 Jahren aus dem bayerischen Metallarbeitgeberverband vbm ausgetreten sind und damit die Tarifbindung aufgegeben haben. Seitdem orientiert sich der Betrieb an den Tarifabschlüssen, die in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie vereinbart werden, geben diese aber nur zu 80 Prozent weiter. Daher beläuft sich die Differenz zwischen den Entgelten bei Schabmüller und der Metall- und Elektroindustrie mittlerweile auf 22 Prozent. Wirtschaftlich geht es der Schabmüller GmbH hervorragend, sie verzeichnen seit Jahren hohe Gewinne und erweitern ihren Marktanteil stetig. Forderungen nach einer Rückkehr in den Flächentarifvertrag ist der Arbeitgeber bisher ausgewichen. Die Tarifverhandlung für die Beschäftigten in Berching sind festgefahren. Seit der vierten Verhandlung zwischen Arbeitgeber und IG Metall am 14. März 2024 ist Stillstand eingetreten. Die IG Metall reagierte auf die Blockadehaltung mit einer Verschärfung ihrer Warnstreiks. Die Beschäftigten waren am 11. April 2024 zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen, an dem sich nahezu 100 Prozent der Belegschaft und fast alle Betriebsteile beteiligt haben. Damit legte die IG Metall den Betrieb einen kompletten Tag lahm. Nachdem der Arbeitgeber sein letztes Angebot nicht nachgebessert hat, hat der IG Metall-Vorstand in Frankfurt am 16. April dem Antrag auf Urabstimmung und unbefristeten Erzwingungsstreik zugestimmt. Nach der erfolgreichen Urabstimmung, in der sich 97,62 Prozent der Mitglieder für den unbefristeten Erzwingungsstreik ausgesprochen haben, wird der Betrieb seit dem 23. April 2024 um 5 Uhr dauerhaft bestreikt.