Erfolgreicher Kampf um Tarifvertrag bei Schabmüller
Die Kraft des Zusammenhalts

Vor 20 Jahren war Schabmüller in Berching in der Oberpfalz aus dem Tarif ausgestiegen. Nach Jahren falscher Versprechen hatten die 500 Beschäftigten jetzt aber genug: 15 Tage lang haben sie für einen Tarifvertrag gestreikt. Mit Erfolg! Das Ergebnis: mehr Geld, kürzere Arbeitszeiten

13. Juni 202413. 6. 2024


„Es war extrem kräftezerrend“, sagt Christine Billmann, Betriebsratsvorsitzende und stellvertretende Leiterin des IG Metall-Vertrauenskörpers (VK) bei Schabmüller in Berching in der Oberpfalz. „Aber unser Streik hat sich auch extrem gelohnt“, schiebt sie sofort hinterher. Nicht nur, weil sich die Beschäftigten zurückgeholt haben, was vor 20 Jahren verloren ging: einen Tarifvertrag. „Die Belegschaft ist in dieser Auseinandersetzung auch zusammengewachsen, wieder zu einer Familie geworden“, erklärt Billmann. „20 Jahre lang herrschte Frust“, ergänzt Thomas Brenner, VK-Leiter bei Schabmüller. „Jetzt aber bin ich unheimlich stolz, ein Teil dieser Familie zu sein!“

Enorme Entschlossenheit

Und stolz können die beiden sein. Ebenso wie ihre Kolleginnen und Kollegen bei dem Elektromotorbauer. 15 Tage lang waren die 500 Beschäftigten von Schabmüller im Erzwingungsstreik. 15 Tage lang stand die Produktion komplett still. Allen war klar: Wir gehen erst wieder an die Arbeit, wenn der Tarifvertrag da ist. Vier Verhandlungen und vier Warnstreiks, zuletzt auch ein ganztägiger, brachten zuvor kein Ergebnis. „Doch der große Zusammenhalt und die enorme Entschlossenheit der Beschäftigten brachten am Ende den Erfolg“, sagt Rico Irmischer, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Regensburg.

Vor 20 Jahren war Schabmüller aus dem Tarif ausgestiegen. Seitdem wurde der Lohnabstand gegenüber tarifgebundenen Firmen immer größer. Außerdem erhöhte der Arbeitgeber die Arbeitszeit auf 40 Stunden. Nur vorübergehend – so das falsche Versprechen damals. Dabei ist Schabmüller heute ein kerngesunder Betrieb. In den letzten acht Jahren hat sich der Umsatz verdoppelt. Die Belegschaft aber profitierte von der guten wirtschaftlichen Entwicklung nicht. Olga Redda, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Regensburg, sagt: „Faire Löhne und Arbeitszeiten bekommen sie jetzt endlich durch ihren Tariferfolg.“ Die Löhne und Gehälter werden in sechs Schritten bis zum 1. Januar 2030 auf Tarifniveau an gehoben. Die Arbeitszeit sinkt in vier Schritten bis zum 1. Juli 2029 von 40 auf 37,5 Stunden.

Wichtig: offen kommunizieren

Doch ein Selbstläufer ist so ein Erzwingungsstreik nicht. Die Voraussetzung: „Alle mitnehmen, die Belegschaft immer informieren, offen kommunizieren“, sagt Billmann. Bei Schabmüller haben sie im Vorfeld eine Umfrage gestartet, um zu sehen, wie groß der Rückhalt ist. Und um zu erfahren, welche Themen der Belegschaft wichtig sind. Außerdem gab es vor und während der Aktionen eine Chatgruppe mit allen IG Metall-Mitgliedern – auch für ein permanentes Stimmungsbild.

Solidarität von überall her

Und die Stimmung war trotz aller Anstrengung prächtig. Nicht nur unter den IG Metall-Mitgliedern, auch nicht organisierte Beschäftigte legten die Arbeit nieder. Es wurde gegrillt, Karten gespielt, am 1. Mai spielten Bands und alle halfen mit. „Die Solidarität war riesig“, schwärmt Brenner. „Selbst Leute, die nicht betroffen waren, weil sie außertariflich bezahlt werden, waren mit draußen.“

Die Solidarität war aber nicht nur innerhalb der Belegschaft groß. Aus ganz Bayern und Deutschland kamen Solidaritätsbekundungen. „Sogar aus Polen, von überall her“, sagt Billmann. „Mit dieser Wahnsinnsunterstützung hatten wir nicht gerechnet. Sie gab uns sehr viel Kraft.“

Und Kraft kostet so ein Erzwingungsstreik – gibt einem aber auch viel zurück, da sind sich Christine Billmann und Thomas Brenner einig. „Ich möchte allen Mut zusprechen, es uns nachzumachen“, sagt Brenner und fügt an: „Habt Respekt, aber habt keine Angst!“