Das bayerische Bündnis „Sozialverträgliche Mobilitätswende“, bestehend aus BN, VCD, DGB, IG Metall, ver.di, SoVD, VdK, AWO und EKD, fordert die Staatsregierung auf, die Verkehrswende in Bayern entschlossener voranzutreiben und diesbezüglich auch ihren Einfluss auf Bundesebene wahrzunehmen. Es unterstreicht in diesem Zusammenhang, welche zentrale Verantwortung Bayern durch die CSU-Verkehrsminister der vergangenen 12 Jahre in diesem Bereich hatte. Die Initiatoren sind sich sicher: Es ist möglich, gleichzeitig das Klima zu schützen und die Lebensqualität von Millionen Bürgerinnen und Bürgern spürbar zu verbessern.
Hintergrund: Das bayerische Bündnis geht aus dem deutschlandweiten Bündnis hervor, welches im April ein Papier mit Handlungsempfehlungen an die Bundesregierung herausgegeben hat (siehe hier: https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/wie-wir-das-klima-schuetzen-und-eine-sozialvertraegliche-mobilitaetswende-umsetzen-koennen/). Ziel ist, den unterschiedlichen Bedürfnissen aller Menschen auf ökologischer und klimafreundlicher sowie sozialer Weise im Land gerecht zu werden: ob Menschen in der Stadt oder auf dem Land, Beschäftigte mit hohem oder niedrigen Einkommensniveau, jung oder alt, gesund oder mit körperlichen Einschränkungen. Außerdem geht es um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Mobilitätswirtschaft.
Die Vorschläge des Bündnisses sollen dazu dienen, eine gemeinsame Vorstellung der künftigen Mobilitätswelt zu entwickeln und daraus Handlungsschritte abzuleiten. Das vorgelegte Papier erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern dient als Debattenanstoß. Ziel ist, die Ideen in den kommenden Monaten im öffentlichen Austausch mit den Menschen und Bündnispartnern vor Ort weiter auszugestalten.
Nachfolgend die Zitate der beteiligten Organisationen:
Johann Horn, Bezirksleiter IG Metall Bayern: „Wir brauchen dringend eine ökologische und soziale Mobilitätswende, um das Klima zu retten und Arbeitsplätze zu sichern. Mit der Umstellung auf klimaneutrale Antriebe können Industriearbeitsplätze in der Auto- und Zulieferindustrie in Bayern und Deutschland dauerhaft erhalten werden. Deshalb kämpft die IG Metall für einen zukunftsfähigen Umbau der Mobilitätsindustrie. Wir rufen die Politik auf, diesen tiefgreifenden Umbruch mit gezielten und massiven Investitionen in regionale Industriepolitik und Weiterbildung zu begleiten. Und wir rufen die Politik auf, gemeinsam mit der IG Metall und ihren Bündnispartnern die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, Standorte und Arbeitsplätze vor Ort zu erhalten statt den Wandel für Kosteneinsparungen und Verlagerungen in Billiglohnländer auszunutzen.“
Richard Mergner, Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern e.V.: „Die bayerische Staatsregierung hat in Sachen Verkehrswende die letzten Jahre leider komplett geschlafen. Wenn Ministerpräsident Markus Söder in seiner Regierungserklärung zum Klima Bayern als ‚Autoland‘ preist, dann ist das symptomatisch dafür, wie Verkehr im Freistaat immer noch gedacht wird. Es unterstreicht, welchen niedrigen Stellenwert andere Mobilitätsformen haben. Man darf außerdem nicht vergessen: Die Mobilitätswirtschaft in Bayern und Deutschland umfasst nicht nur die Automobilbranche, sie reicht mit ihrer Wertschöpfung und Beschäftigung auch von der Bahnindustrie über den öffentlichen Personennahverkehr bis hin zum Fahrradhandel. Eines ist klar: Der Verkehrssektor spielt eine zentrale Rolle beim Klimaschutz UND beim sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Mit unseren Handlungsempfehlungen haben wir vorgelegt. Die bayerische Staatsregierung und die neue Bundesregierung sollten nun folgen!“
Nicole Schley, Vorsitzende AWO Bayern: „Die Mobilitätswende ist überfällig - um das Klima zu schützen und aus sozialen Gründen. Denn nicht alle Menschen haben den gleichen Zugang zur Mobilität. Wir sind zu sehr aufs Auto fixiert, vor allem im Autoland Bayern. Menschen mit geringem Einkommen können sich aber oft gar kein Auto leisten. In Bayern betrifft das mindestens jeden zweiten Haushalt mit einem Einkommen unter 1300 Euro. Gerade sie brauchen einen gut ausgebauten und vor allem erschwinglichen öffentlichen Personennah- und -fernverkehr sowie ausreichend sichere Rad- und Gehwege. Aber auch Menschen mit Behinderung, ältere Menschen und Familien können öffentliche Verkehrsmittel oft nur schwer nutzen, denn mehr als die Hälfte aller Bahnhöfe und Haltepunkte in Bayern ist nicht barrierefrei. Hier muss schnell etwas geschehen. Besonders eingeschränkt in ihrer Mobilität sind viele Menschen, die auf dem Land leben. Das sind in Bayern immerhin rund 56 Prozent der Bevölkerung. Fehlende ÖPNV-Angebote und weite Wege für Job, Einkauf und weitere Erledigungen des täglichen Bedarfs machen ein Auto quasi unverzichtbar. Wir brauchen ein Umdenken weg von der Konzentration auf wenige Zentren hin zu mehr Angeboten vor Ort. Was uns noch wichtig ist: Die Kosten für die Mobilitätswende müssen solidarisch verteilt werden, etwa über einen CO2-Preis verbunden mit einem Mechanismus für eine Rückverteilung, die einkommensschwache Haushalte entlastet.“
Luise Klemens, Landesbezirksleiterin ver.di Bayern: „Die Mobilitätswende geht alle an und sie kann nur gelingen, wenn die Politik unverzüglich aktiv wird. Denn der Handlungsdruck im ÖPNV ist enorm: Bis 2030 werden 100.000 neue Beschäftigte benötigt, zugleich schrecken die Arbeitsbedingungen viele Bewerber*innen ab. Mit dem Ausbau des ÖPNV und Investitionen ins Personal kann eine Wende ins Rollen gebracht werden, von der Umwelt, Beschäftigte und Nutzer*innen gleichermaßen profitieren. Ein bayerisches Tariftreuegesetz für den öffentlichen Nahverkehr wäre dazu ein wichtiger Baustein.“
Ulrike Mascher, Landesvorsitzende des Sozialverbandes VdK Bayern: "Die Verkehrswende wird unsere Städte und Dörfer verändern. Im Sinne von mehr Teilhabe und Gerechtigkeit wollen wir als Sozialverband VdK Bayern diesen Wandel aktiv mitgestalten. Wir setzen uns dafür ein, dass Bus und Bahn endlich flächendeckend barrierefrei werden, dass Fußgängerinnen und Fußgänger ausreichend Platz auf Gehwegen erhalten, egal ob mit Rollator oder Kinderwagen, und dass vielfältige Sharing-Angebote auch auf dem Land entstehen, die Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen nutzen können. Die gesellschaftliche Teilhabe für alle muss ein Ziel der sozialen Mobilitätswende sein."
Dr. Ruth Gütter, Evangelische Kirche in Deutschland (EKD): „Seit vielen Jahren engagieren sich die evangelischen Landeskirchen und die Evangelische Kirche in Deutschland für Klimagerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung. Der christliche Glaube an Gott, der nach biblischem Zeugnis alles Leben geschaffen hat, ist für uns als kirchlichem Bündnispartner die entscheidende Motivation, für die Achtung und Erhaltung der Mitschöpfung sowie für die Würde und Lebensrechte aller Menschen der gegenwärtigen und der zukünftigen Generationen einzutreten. Die EKD hat in vielen Synodenbeschlüssen und in Grundsatztexten die globalen Klimaziele und die Ziele für nachhaltige Entwicklung positiv gewürdigt und festgehalten, dass die EKD selbst aktiv mit ihren Möglichkeiten dazu beitragen will, dass diese Ziele erreicht werden. Die Verkehrswende in Deutschland ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Umsetzung dieser Ziele.“
Adolf Bauer, Präsident Sozialverband Deutschland (SoVD): „Der Schutz unserer Umwelt geht uns alle etwas an. Nur gemeinsam können wir es schaffen, den Klimawandel zu stoppen. Ein erster Schritt wäre ein klimaschonenderes Mobilitätsverhalten. Das muss aber auch für Jedermann bezahlbar sein. Klimaschutz darf kein Elitenprojekt und ein umweltbewusstes Leben kein Luxus sein. Bei allen Maßnahmen müssen die Stärkung der sozialen Gerechtigkeit und v.a. eine gerechte Verteilung der Lasten sowie ein gleicher Zugang zu Mobilität mitgedacht werden. Nur so können wir langfristig eine Mobilitätswende erreichen, von der am Ende alle profitieren.“
Verena Di Pasquale, kommissarische Vorsitzende des DGB Bayern: „Die Staatsregierung ist jetzt in der Pflicht, den Strukturwandel in der Mobilitätswirtschaft aktiv und nachhaltig zu gestalten. Dazu gehört eine regionale Strukturpolitik mit erheblichen Investitionen ebenso wie eine umfassende Weiterbildungspolitik. Entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen bieten Beschäftigten, deren Arbeitsplätze transformationsbedingt in Gefahr sind, neue Perspektiven. Zudem muss das Leitbild „Gute Arbeit“ im gesamten Mobilitätssektor Anwendung finden. Konkret bedeutet das: gut abgesicherte und tariflich bezahlte Beschäftigung. Für eine sozialverträgliche Mobilitätswende sind darüber hinaus schnellstens ganzheitliche Mobilitätskonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Im Sinne gleichwertiger Lebensverhältnisse im Freistaat ist allen voran der Ausbau des Schienenverkehrs und des ÖPNV voranzutreiben. Denn gerade in ländlichen Regionen herrscht hier nach wie vor akuter Nachholbedarf.“
Dr. Christian Loos, Vorsitzender VCD LV Bayern e.V.: „Die Verkehrswende ist seit seiner Gründung oberstes Ziel des VCD. Unsere Klimaziele für den Verkehrsbereich schaffen wir nur, wenn wir Mobilität ökologisch und sozial gerecht gestalten. Dieser Herausforderung stellen wir uns mit dem Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende. Wenn Menschen aller Alters- und Einkommensgruppen besser und barrierefrei an Bahn, Bus, Fuß- und Fahrradinfrastruktur angebunden sind, profitieren davon am Ende alle. Nachhaltige Mobilität ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe, schont Klima und Umwelt und schafft neue, zukunftsfähige Jobs in der Mobilitätswirtschaft. Deshalb ist die Verkehrswende sozial.“