Die bayerische Automobil- und Zulieferindustrie steht unter massivem Druck. Der Wandel der Mobilitätswirtschaft ist in vollem Gange – mit tiefgreifenden Folgen für Beschäftigte, Betriebe und ganze Regionen. Horst Ott, Bezirksleiter der IG Metall Bayern warnt: "Ohne entschlossenes Handeln droht ein industrieller Strukturbruch."
Was auf dem Spiel steht, ist mehr als nur wirtschaftliche Stabilität – es geht um Existenzen, um Perspektiven, um die Zukunft einer ganzen Generation. "Es braucht jetzt ein entschlossenes Handeln von Unternehmen und Politik. Denn die Zukunft der Industrie entscheidet sich nicht irgendwann", betont Horst Ott. "Sondern jetzt!"
Zukunftsprodukte werden verlagert
Die Zeichen sind unübersehbar: Der Stellenabbau hat begonnen – und er beschleunigt sich. Zehntausende Arbeitsplätze sind in Gefahr, besonders in der Zulieferindustrie, dem Rückgrat auch vieler ländlicher Regionen. Eine aktuelle Betriebsrätebefragung der IG Metall Bayern zeigt ein alarmierendes Bild: 41 Prozent der befragten Betriebe in der Metall- und Elektroindustrie planen Verlagerungen von Tätigkeiten in der Produktion, ein Drittel sogar in der Entwicklung. "Das ist neu – und besonders besorgniserregend", sagt Ott. Es gehe um das Herzstück industrieller Innovation. "Wenn wir jetzt nicht handeln, verlieren wir nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch unsere Fähigkeit, Zukunftstechno-logien selbst zu entwickeln und zu produzieren."
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Fast die Hälfte der Betriebe hat in den letzten zwei Jahren Produkte ins Ausland verlagert. 43 Prozent planen weitere Verlagerungen – und über die Hälfte davon betrifft Zukunftsprodukte. »Damit setzen sie die Zukunftsperspektiven unserer Standorte aufs Spiel«, warnt Ott. "Wenn wir diesen Prozess nicht stoppen, verlieren wir unwiederbringlich industrielle Substanz.
Rendite geht über alles
Besonders bitter: Auch viele Betriebe in der Auto- und Zulieferindustrie, bei denen es gut läuft, wollen Produktion und Jobs verlagern. Die Befragung der IG Metall zeigt: Es verlagern sogar mehr Betriebe in einer guten wirtschaftlichen Situation (71 Prozent) als in einer schlechten (64 Prozent). Es geht also nicht um Notwendigkeit, sondern Rendite. »Wir brauchen Manager, die sich zu heimischen Standorten bekennen und in sie investieren – auch wenn das kurzfristig weniger Gewinn bedeutet«, fordert Ott. "Es ist verantwortungslos, wenn Unternehmen, die vor drei Jahren acht Prozent Gewinn gemacht haben, jetzt Sparprogramme auflegen, weil es »nur noch« sechs Prozent sind."
Aber auch die Politik ist gefragt. Sie muss Investitionen in heimische Arbeitsplätze unterstützen. Länder wie USA und China fördern ihre Industrien mit Subventionen, Zöllen und Handelsbeschränkungen. "Wir erwarten von der deutschen und europäischen Politik, dass sie endlich auch unsere Industriearbeitsplätze schützt", erklärt Ott. Mit verbindlichen Local-Content-Regeln etwa. "Wer in Europa verkauft, soll auch zur regionalen Beschäftigung beitragen." Nur so könne verhindert werden, dass Wertschöpfung und Innovation dauerhaft ins Ausland abwandern.
Verantwortung übernehmen
Aber auch die Voraussetzungen in den Betrieben selbst sind oft unzureichend. Die IG Metall-Befragung zeigt: Ein Viertel der Betriebe hat kein zukunftsfähiges Geschäftsmodell, zwei Drittel weisen Defizite bei strategischer Personalplanung und Qualifizierung auf. "Das ist brandgefährlich", sagt Ott. "Denn ohne klare Strategien und Investitionen in die Menschen wird die Transformation scheitern."
Die IG Metall Bayern fordert deshalb gezielte Investitionen in Bildung, Qualifizierung und eine Stärkung der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Transformationsnetzwerke, die Wissen bündeln und Regionen vernetzen, müssen ausgebaut werden. Fördermittel müssen an Standorttreue geknüpft werden. Horst Ott appelliert: "Unternehmen und Staatsregierung müssen jetzt Verantwortung übernehmen – für den Industriestandort Bayern und für seine Beschäftigten."
Unsere Forderungen auf einem Blick:
- Fördermittel an Standorttreue koppeln: Nur Unternehmen, die in Deutschland investieren, sollen öffentliche Gelder erhalten.
- Local-Content-Regeln einführen: Wer hier verkauft, muss auch hier produzieren und Arbeitsplätze sichern.
- Zukunftsbranchen stärken: Elektromobilität, Batterietechnik, Software und Kreislaufwirtschaft müssen gezielt gefördert werden.
- Infrastruktur ausbauen: Lade- und Wasserstoffnetze sowie digitale Infrastruktur sind entscheidend für die Zukunft der Industrie.
- Qualifizierung und Weiterbildung fördern: Beschäftigte müssen aktiv in die Transformation eingebunden werden.
- Regionale Transformationsnetzwerke stärken: Sie müssen langfristig gesichert und durch den Freistaat gezielt ausgebaut werden.