Damit der sozial-ökologische Wandel gelingt, fordert die IG Metall Bayern stärkere Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte bei strategischen Unternehmensentscheidungen. „Betriebsräte sind keine Notärzte, die erst dann gefragt sind, wenn der Patient ums Überleben ringt. Betriebsräte sind Experten, wenn es um vorausschauende Strategieplanung zur Neuaufstellung von Betrieben geht“, sagte Bezirksleiter Johann Horn am heutigen Dienstag bei der Jahrespressekonferenz der IG Metall Bayern. Konkret fordert Horn generelle Mitbestimmungs- und Initiativrechte bei der betrieblichen Aus- und Weiterbildung, bei Personalplanung und Beschäftigungssicherung.
Auch bei der Unternehmens-Mitbestimmung in Aufsichtsräten ruft Horn zu einem Umdenken auf: „Das sind unfassbare Summen, mit denen Konzerne unsere Welt und unser Land formen. Und allein Profitinteressen entscheiden darüber. Unternehmen können bei uns im Alleingang entscheiden, wo sie Standorte aufbauen und schließen, und wo sie Menschen auf die Straße setzen.“ Für echte Mitbestimmung in strategischen Fragen müsse das Doppelstimmrecht des Aufsichtsratsvorsitzenden abgeschafft werden.
Horn weiter: „Mitbestimmung im Betrieb ist für die Beschäftigten erlebbare Demokratie. Mit solch positiven Demokratie-Erfahrungen im Betrieb fördert und stabilisiert die Mitbestimmung auch die Demokratie in unserer Gesellschaft insgesamt. Das können wir in der heutigen Zeit sehr gut gebrauchen. Die Ausweitung von Mitbestimmung ist die große Chance, die vielen Veränderungen in der gerade so fragilen Welt in eine positive Richtung zu drehen.“
Vor diesem Hintergrund haben die am 1. März beginnenden Betriebsratswahlen für die IG Metall eine enorme Bedeutung. Aktuell stellt die IG Metall in Bayern in über 1.400 Betrieben mehr als 8.500 Betriebsräte. Die IG Metall unterstützt ihre Kandidat*innen in den Betrieben mit der Kampagne „Team IG Metall“ und will eine hohe Wahlbeteiligung um die 70 Prozent erreichen sowie viele neue, junge Betriebsrät*innen in die Gremien bringen.
Aktuell wenden sich viele Beschäftigte an die IG Metall, die neue Betriebsratsgremien gründen wollen. Horn: „Dabei erleben wir immer wieder, wie Arbeitgeber die Gründung von Betriebsräten behindern: mit Druck bis hin zu Mobbing und fadenscheinigen Kündigungen. Ich appelliere an die Arbeitgeber: Machen Sie sich nicht strafbar und behindern Sie keine Betriebsratsgründungen! Und ermöglichen Sie allen Beschäftigten eine Stimmabgabe!“
Große Hoffnungen für den sozial-ökologischen Wandel setzt die IG Metall in das neue Instrument regionale Transformationsnetzwerke. Dabei sollen gemeinsam mit allen wichtigen Akteuren in einer Region gemeinsame Konzepte für den Umbau entwickelt werden. Im Mittelpunkt stehen dabei neben technologischen Fragen vor allem Qualifizierung und Weiterbildung. Horn: „In den Regionen passiert der Wandel ganz konkret, über den immer alle so abstrakt sprechen. Dort leben und arbeiten die Menschen und machen sich Sorgen um ihre Zukunft. Nach langer und intensiver Vorarbeit mit der bayerischen Politik und den bayerischen Akteuren stehen wir jetzt endlich kurz vor der Genehmigung der Förderanträge für Bayern. Ein Schwerpunkt sind dabei die fränkischen Regionen. Wenn wir damit endlich loslegen können, werden wir viel für einen sozial-ökologischen Wandel in Bayern bewegen können.“
Horn unterstreicht die Bedeutung der Windkraft für einen klimagerechten Umbau der Industrie: „Der ökologische Wandel funktioniert nur mit der Energiewende, die Energiewende funktioniert nur mit einem massiven Ausbau der Windkraft – auch in Bayern. Tausende Arbeitsplätze in Bayern hängen direkt und indirekt an der Windkraft. Das geht über die gesamte Wertschöpfungskette. Die 10-H-Abstandsregel bedroht also unmittelbar tausende Arbeitsplätze in Bayern.“
Beim Blick auf die wirtschaftliche Lage sieht die IG Metall nach einem Dämpfer im Herbst die Metall- und Elektroindustrie weiter auf klarem Erholungskurs. Die Branche ist deutlich besser durch die Pandemie gekommen als viele andere Wirtschaftszweige. „Die Auftragsbücher sind ohnehin schon länger voll. Seit Jahresbeginn registrieren wir in den Betrieben zunehmend Sonderschichten und Überstunden. Das Thema Kurzarbeit tritt langsam in den Hintergrund. Teilweise beginnt schon wieder ein Beschäftigungsaufbau“, erläutert Horn.
Verärgert zeigt sich Horn, dass die Unternehmen insgesamt ihren Ankündigungen nicht nachgekommen sind, die Lieferketten zu überprüfen und die Abhängigkeit von Fernost zu verringern: „Es ist nichts passiert. Und jetzt bremst Materialmangel den Aufschwung. Das haben die Unternehmen selbst verschuldet. Deshalb fordere ich von der Politik: Weitere finanzielle Unterstützung für Unternehmen muss an verbindliche Zusagen geknüpft werden, vor Ort in die Standorte zu investieren und Beschäftigung zu sichern.“
In der kommenden Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie im Herbst wird die IG Metall wie in jeder Tarifrunde ihre Forderung anhand von drei Kriterien aufstellen: gesamtwirtschaftliche Produktivität, Zielinflationsrate der EZB, Umverteilungskomponente. Horn: „Das heißt: Die IG Metall strebt auch in der kommenden Tarifrunde eine Erhöhung der Reallöhne und eine Beteiligung an den Unternehmensgewinnen an. Die Stärkung der Kaufkraft wird sicherlich das zentrale Thema werden“, sagt Horn.
Dabei kann die IG Metall auf eine starke Mitgliederbasis in den Betrieben bauen. Die Mitgliederzahl in Bayern ist 2021 um 1,8 % auf rund 366.000 gesunken. Das sind rund 6.800 Mitglieder weniger. Eine Ursache dafür ist, dass seit Beginn der Pandemie die Zahl der Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie um 3,1 % gesunken ist.