3. Februar 2023
Eklat nach Verhandlungsabschluss
Wacker-Neuson-Chef tritt von frisch unterschriebenem Tarifergebnis zurück
Bezirksleiter Johann Horn: „Tarifpartnerschaft braucht zuverlässige Akteure“ – Beschäftigte sind empört – IG Metall berät über Urabstimmung

In der Auseinandersetzung um die Rückkehr zur Tarifbindung beim Baumaschinenhersteller Wacker Neuson sorgt CEO Dr. Karl Tragl für einen Eklat. Nur wenige Tage nach dem Abschluss eines Verhandlungsergebnisses, das er selbst mitunterschrieben hat, ist der CEO von diesem Tarifergebnis wieder zurückgetreten. Johann Horn, Bezirksleiter der IG Metall Bayern, sagt: „Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Tarifpartnerschaft braucht zuverlässige Akteure auf beiden Seiten. So kann man seine Belegschaft nicht an der Nase herumführen.“

Die rund 630 Beschäftigten in Reichertshofen und ihre Kollegen an den anderen Standorten waren bereits detailliert über den Tarifabschluss informiert worden – auch vom Unternehmen. CEO Dr. Tragl selbst lobte am Montag im „Südkurier“ das Verhandlungsergebnis als „neue zukunftsfähige Tarifvereinbarung“. 

Nach der Tarifflucht von Wacker Neuson im Herbst 2022 hatte die IG Metall das Unternehmen zu Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag aufgefordert. Nach mehreren Verhandlungen und auch Warnstreiks im Rahmen der Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie haben sich die IG Metall und das Unternehmen Ende Januar schließlich auf einen neuen Anerkennungstarifvertrag geeinigt.

Fassungslosigkeit über den Rückzieher des CEO

Carlos Gil, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Ingolstadt, sagt: „Dieser Tarifvertrag ist ein Kompromiss, ein Ausdruck der Vernunft, mit dem beide Seiten einen Arbeitskampf mit Streiks abgewendet haben. Grundsätzlich gilt demnach der Flächentarif, beim Thema Arbeitszeit sind wir dem Unternehmen entgegengekommen. Die Beschäftigten sind empört und fassungslos, dass der CEO jetzt einen Rückzieher macht.“

Die IG Metall berät nun, ob sie die Beschäftigten zu Urabstimmungen über Streiks aufruft, um einen Tarifvertrag zu erzwingen.

Neben Reichertshofen hat Wacker Neuson Produktionsstandorte in Pfullendorf (Baden-Württemberg) und Korbach (Hessen). Die Konzernzentrale ist in München. Insgesamt hat Wacker Neuson in Deutschland 2400 Beschäftigte.

Zum Hintergrund:
2009 hatte die IG Metall in wirtschaftlich schwieriger Lage mit Wacker Neuson Ergänzungstarifverträge abgeschlossen, mit denen die Beschäftigten auf Geld verzichteten, um einen Beitrag zur Genesung des Unternehmens zu leisten. Inzwischen geht es Wacker Neuson mit teilweise zweistelligen EBIT-Margen wieder sehr gut. Deshalb hat die IG Metall im Sommer 2022 die Ergänzungstarifverträge gekündigt. Daraufhin hat das Unternehmen den wieder in Kraft getretenen und am Flächentarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie orientierten Anerkennungstarifvertrag gekündigt. Mit diesem Schritt flüchtete Wacker Neuson komplett aus der Tarifbindung.


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