Es ist ein besonderer Ort, den der Migrationsausschuss der IG Metall Bayern für seine Sitzung Anfang April gewählt hat. Das Bellevue di Monaco mit Café, Dachsportplatz und Kulturräumen ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, was Engagement und Herzblut – auch und vor allem vieler Ehrenamtlicher – bewirken können. Hier haben nicht nur fast 50 Geflüchtete ein Zuhause gefunden, es gibt auch ein breites Hilfsangebot: Deutschkurse, Migrations- und Rechtsberatung, Unterstützung bei der Ausbildung und vieles mehr. Vor allem aber ist das Bellevue di Monaco mitten im Münchner Glockenbach-Viertel ein Ort der Begegnung – für alle Menschen, egal welcher Herkunft oder Nationalität.
Und das ist auch die IG Metall. Über 500.000 Menschen mit Migrationshintergrund bietet sie eine solidarische Heimat. In Bayern haben 100.000 Metallerinnen und Metaller einen Migrationshintergrund.
Eine von ihnen ist die Maschinenbauingenieurin Xiaoling Shen-Türk, Betriebsrätin bei MAN Energy Solution in Augsburg und Sprecherin des bayerischen Migrationsausschusses. Jetzt sitzt sie im lichtdurchfluteten Bellevue-Café, nippt an ihrem Tee und erklärt: „Viele Menschen, die nach Deutschland kommen, haben hier weder Freunde noch Familie. Für viele ist die IG Metall, sind wir eine Art Familie.“
Shen-Türk fühlt sich sichtlich wohl im Bellevue di Monaco. Es umgibt eine Atmospäre der Offenheit und Toleranz. Der Anlass für den Besuch ist indes ein schrecklicher. Mitte Februar waren nach einem Anschlag auf eine Demonstration der Gewerkschaft ver.di in München ein zweijähriges Mädchen und dessen Mutter ums Leben gekommen. Der Gesamtbetriebsrat der IG Metall beschloss, die Familie der Opfer mit einer Spende zu unterstützen. Diese wünschte sich, dass die Spende in Höhe von 10.000 Euro nicht an sie selbst geht, sondern an das Kinderklinikum, in dem die verstorbene Tochter versorgt wurde. Diesem Wunsch kam die IG Metall natürlich gerne nach.
Zugleich hat die IG Metall beschlossen, Initiativen der Geflüchtetenhilfe eine Spende in gleicher Höhe zukommen zu lassen. Als Zeichen, dass sie so abscheuliche Anschläge nicht instrumentalisiert sehen will gegen Geflüchtete oder Menschen mit Migratonshintergrund. Jeweils 5000 Euro gingen an Bellevue di Monaco und den Bayerischen Flüchtlingsrat.
„Wir lassen uns nicht spalten“, betont Luis Sergio, Vorsitzender des IG Metall-Gesamtbetriebsrates. „Unsere gewerkschaftliche DNA gründet auf das Gegenteil von Nationalismus und Ausgrenzung, nämlich auf Toleranz“, ergänzt Klaus Stein, Personalleiter der IG Metall. Beide sind wie auch Horst Ott, Bezirksleiter der IG Metall Bayern, an diesem Tag ebenfalls ins Bellevue di Monaco gekommen. „Um euch für euer Engagement zu danken“, sagt Horst Ott zu Vertreterinnen und Vertretern beider Initiativen. „Und weil wir die Spenden als Anlass nehmen wollen, mit euch auszuloten, wo wir kooperieren können – auch im Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung.“
Kooperationsmöglichkeiten bieten sich einige an. Beispielsweise im Bereich der Arbeitsmarktintegration oder der Ausbildungsbegleitung. Ein Teil der Spendengelder soll etwa für Deutsch-Unterricht verwendet werden. Deutlich wird an diesem Tag aber auch: Ob Gewerkschaft, Flüchlingsrat oder Bellevue di Monaco – die aktuelle politische Lage in Deutschland, der Rechtsruck und die immer aggressiver werdende Debatte um Migration bereiten allen große Sorgen. „Viele haben bereits einen Plan B“, sagt Shen-Türk. „Wir kämpfen als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter dafür, dass Deuschland ein Land bleibt, in dem Menschen mit Migrationshintergrund sicher und gerne leben können.“ Falls das aber nicht mehr möglich sei, sei ihre eigene „Exitstrategie“ Kanada, so Shen-Türk.
Damit es nicht so weit kommt, engagieren sich Metallerinnen und Metaller tagtäglich für Demokratie und Toleranz. Das Engagement findet auf verschiedenen Ebenen statt. Zentraler Dreh- und Angelpunkt in Bayern ist der bezirkliche Migrationsausschuss, der sich aus ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen aus dem gesamten Freistaat zusammensetzt. Die meisten üben Betriebsrats- und Vertrauenskörperfunktionen aus und sind auch im Migrationsausschuss der eigenen Geschäftsstellen aktiv. Der Ausschuss trifft sich regelmäßig, um Strategien und Positionen zu erarbeiten und bringt sich auch stark in den Bundesmigrationsausschuss ein. „Der Migrationsausschuss ist gerade in politisch schwierigen Zeiten ein wichtiger Ort des Austausches und dient als Kraftquelle“, erklärt Nesrin Gül, die für Migrationspolitik zuständige Sektretärin bei der IG Metall Bayern.
Solidarität, Respekt, Menschlichkeit und Mitbestimmung – „Ich will unsere Werte im Betrieb sichtbar machen“, sagt Nikolaos Soumas, Mitglied des Migrationsausschusses und Vertrauensmann bei Mann + Hummel Marklkofen. Rassismus gefährde diese Werte. Unterstützt werden betrieblich Aktive beim Kampf gegen rechte Hetze am Arbeitsplatz auch von dem von der IG Metall gegründeten Verein zur Bewahrung der Demokratie. In Bayern hat er Anfang dieses Jahres seine Arbeit aufgenommen. Das Ziel: Rassistische und rechtsextreme Positionen im Betrieb zu erkennen und Gegenstrategien zu erarbeiten.
„Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“, betont Bezirksleiter Horst Ott. Ende März – im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus – besuchte die Geschäftsführerkonferenz der IG Metall Bayern die KZ-Gedenkstätte in Dachau. Vor 80 Jahren wurde das KZ Dachau, in dem auch viele Gewerkschafter ermordet wurden, befreit. Ott: „Nie wieder – das ist der Auftrag an uns alle!“